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Samstag, 13. Februar 2016

Das Papabuch – ein Review



Es gibt unzählige Sach-, Fach-, Flach-, Kuschel-, Kitsch-, …-Bücher zum Thema Eltern werden bzw. schwanger sein. Aber für Papas?
Als die Schwangerschaft weiter voranschritt, merkte ich, dass ich mich selbst zwar mit online-Informationen recht gut versorgen konnte, mein Held aber irgendwie nicht so recht wusste, wie er das Thema angehen soll. Also haben wir überlegt, ein Papa-Buch anzuschaffen. Der Held entschied sich für „Papa to go“ von Christian Busemann.
Ihn sprach die gute Platzierung in der Buchhandlung an. Die Nachfolgebücher sehen diesem sehr ähnlich und zusammen ergibt das ein harmonisches Bild. Eyecatcher eben. Dazu kommt, dass es für werdende Väter nicht so viele Bücher gibt. Er las den Klappentext und kurz ins Buch hinein – es war locker und entspannt geschrieben und klang wie ein „schnell mal lesen“-Hilfebuch. Als Einstieg ideal geeignet. Also kam es mit nach Hause.



Positiv:
Christian Busemann mahnt, dass der Partner immer informiert und dabei sein sollte (natürlich wird hier nur für Männer geschrieben – lesbische Paare würden verm. PAPA to go auch nicht kaufen, oder doch?). Da für seine Partnerin. Ihr gut zureden, sie seiner Liebe versichern, …
Er informiert in Kürze über Schwangerschaftsbeschwerden, Inhalte des Mutterpasses, pränatale Untersuchungsoptionen …
Die Beschreibung wie der Partner sich unter der Geburt verhalten sollte, kann ich grundsätzlich teilen (Schmerzbeurteilung kann nur die Frau, massieren, streicheln, zärtlich sein, ablenken, über den Trennungsschmerz der Geburt reden weil die Symbiose aus Mutter und Ungeborenem endet,  zu Bewegung anregen, beim Pressen die Klappe halten und einfach nur da sein, …)
Er regt den Vater an, die Erlebnisse der Geburt in der ersten Nacht aufzuschreiben – das zu lesen kann auch wundervoll für die Mama sei.

Was aber früh auffällt: Christian Busemann versucht, dem Leser (und vermutlich auch sich selbst damals als seine Frau schwanger war) die Angst zu nehmen. Allerdings eher im Sinne von „Du musst souverän wirken“, „Du weißt bescheid“, „Du kannst vor XY punkten“, …). Locker bleiben ist seine Devise. Die Ehrfurcht und das Wunder anzunehmen? Kommt hier kaum vor. Überwältigt sein ist ok? Nicht für Christian Busemann – maximal nachdem der Zwerg auf der Welt ist. Ich finde das sehr funktional gedacht und befremdlich. Es stellt zwar sachlichen Kontakt zur Schwangerschaft her, doch emotional? Eher nicht. Schade.

Hinzu kommen unkorrekte Verallgemeinerungen wie:
„Rohes Fleisch und rohen Fisch, wie in Sushi, meiden, da die Toxoplasmose-Gefahr sehr groß ist.“
> Die Wahrscheinlichkeit einer Toxoplasmose-INFEKTION ist das ganze Leben gleich hoch – die wird nicht in der Schwangerschaft wundersamer weise besonders groß. Eine Infektion selbst ist nur gefährlicher, da sie das Baby gefährden kann.
„Wenn ihr Ratschläge benötigt, solltet Ihr sie euch bei dem Arzt holen, der ja eh schon das Vertrauen der werdenden Mutter genießt“
> Hebamme? Freunde? Sind ihm zu viele Köche. Vertrauen in Ärzte ist ja ok, aber welcher Frauenarzt kann einen denn vollumfänglich zum Thema Schwangerschaft beraten???

Listungen von „unbedingt“ benötigten Dingen, von denen ein Großteil nicht gebraucht wird – hier ein Auszug:
> Kinderzimmer, Windeleimer (packt JEDE Wegwerfwindel zusätzlich noch in Plastik – Umweltoverkill), Wärmelampe (braucht man nur für Winterbabys wirklich), Himmel/Himmelstange, DREI Kapuzenhandtücher, Wegwerf-Wickelunterlage, Babymassageöl, Babywaage, Milchpumpe, Sonnen-Family-Zelt, Reisebett,  … - alles als Starterset-Bestandteile gelistet. Bitte hört da auf Euer Gefühl und kauft nur wirklich notwendige Dinge.

„“[…] etwaige Schäden beziehungsweise Verletzungen durch die Geburt behoben. Hier ist der Dammriss sehr gängig. Das heißt das Stück zwischen Po und Vagina, der Damm,  reißt manchmal bei der Entbindung durch den Umfang beziehungsweise die Größe des Babys. Aus diesem Grund wird er meist vom Arzt während der Geburt eingeschnitten, damit es besser flutscht.“
> Ein Dammschnitt wird nicht für das besser Flutschen gemacht, sondern damit Frau nicht einreißt und sollte nur angewendet werden, wenn das Baby sich schwer tut und alles ein bisschen eng ist. Das Verhindern des Reißens funktioniert aber nicht immer – viele Frauen wurden geschnitten UND reißen. Ein guter Dammschutz (Dammmassage während der letzten Schwangerschaftswochen, Wärme,… helfen dem Damm vermutlich mehr). Leider verliert er dazu kein Wort.

Nach und nach wurde das Lesen weniger freudvoll. Zitate gefällig?
„Wer mag schon einen riesigen Berg Spaghetti essen, wenn direkt neben ihm am Tisch „jemand“ mit einem Würgereiz zu kämpfen hat? Und wer fummelt schon gerne herzhaft im Ausschnitt rum, wenn die scharfe Schleuder dabei plötzlich einnickt? Zieht echt runter“

„Schlechte Nachrichten aus dem Dekolleté, gute Nachrichten aus dem Dekolleté. Die Push-ups haben Feierabend! Das Glockenspiel wird satter, nicht nur im Sound: die Brüste wachsen!“

Beim Abschnitt „Zweites Trimester – Sex in der Schwangerschaft: Wie schlafe ich mit einem „Wasserbüffel““ verging es dem Helden komplett (Seite 81 von 285). Mich schockierte die Sprache einfach nur. Unreif, herablassend, frauenfeindlich, von sexueller Souveränität keine Spur:

„Zum Ende der Schwangerschaft hingegen, wenn der sündige Designerstring einem XXL-Baumwollschlüpfer-Mutterschiff gewichen ist, sich das Kinn auf einem zweiten ausruht und der ehemals sportliche Gazellenrahmen in Richtung Wasserbüffel mutiert, hält sich die Lust deiner Frau […] in Grenzen und neigt von selten bis null.“

„Müde bis tote Hose also auch bei Dir, es sei denn, deine Überredungskünste und verbale Umschmeichelungen bewirken Wunder, und du bekommst die Matrone noch mal auf die Turnmatte“

„vielleicht kannst du dem mürrisch stöhnenden, ungelenken Schwangerschaftspummelchen noch einen brüderlichen Blowjob aus dem Kreuz leiern […]“

„[…] deshalb will ich dir nun verraten, welche Positionen Du ausprobieren kannst, ohne dass du befürchten musst, von einem menschlichen Fleisch-Panzer überrollt zu werden.“

„“natürlich kommst du dir im ersten Moment wie […] Asterix vor, der versucht, den dicken, trägen Obelix zu penetrieren, […]“

So geht es weiter. Warum muss das sein? Weder der Detailgrad seiner eigenen sexuellen Unsicherheit, noch diese Sprache helfen irgendwem weiter! Sex in der Schwangerschaft ist speziell, macht vielleicht beiden Beteiligten Angst und es gibt nur Eines: zusammen probieren und sich auf einander einlassen – so wie sonst beim Sex auch! Dieses Kapitel ist nutzlos, beleidigend, primitiv und ekelhaft.
Christian Busemann äußert sich an einigen Stellen des Buches sehr liebevoll und wertschätzend über seine Frau. Doch wenn solche Formulierungen fallen, fällt es mir schwer, das einzuordnen. Entweder er schätzt seine Frau und diese Formulierungen sind flapsig überzogen und passen eigentlich gar nicht zu ihm. ODER er ist viel mehr darauf bedacht, wie seine Frau aussieht/funktioniert als ihm klar ist und er selber denkt, er würde sie schätzen, so wie sie ist (auch in schwanger und dicker). Ich vermute, wir haben es bei diesem Autor mit einem neoliberalen Lifestyle-Mann zu tun, der Schein über Sein stellt und es selbst nicht bemerkt. Aber vielleicht liege ich da auch falsch…
Schade, dass wasAuchImmerDieUrsacheIst zu solchen Formulierungen führt, die dann angehende Väter/Partner(innen) über ihre schwangeren Frauen/Freundinnen lesen und vielleicht auch noch innerlich übernehmen.
An die werdenden Väter/Partner(innen): bleibt bei Euch mit Eurem Gefühl. Bei Euch und Eurer schwangeren Frau/Freundin. Seid Euch selbst und einander nah. Lasst zu, dass Euch diese Erfahrung auch mal umhaut. Seid authentisch miteinander. Redet miteinander.

Fazit
Der Held kann dieses Buch niemandem empfehlen. Vielleicht neoliberalen, geschlechtsverwirrten Männern, die besonders locker mit der Welt umgehen und ihre Souveränität über alles schätzen (was ist denn heute noch ein echter Mann, was soll ich tun, wer soll ich sein, wie komme ich möglichst optimal rüber) – denen könnte es in Summe etwas nutzen.
Meine Erfahrung mit dem Buch – denn ich habe es auch gelesen: Die Abschnitte, die sprachlich so unter die Gürtellinie gehen, würden jedes Buch versauen. Die emotionale Seite des werdenden Vaters/Partners wird kaum angesprochen. Was dann also übrigbleibt, ist eine Informationssammlung, die man online oder in sachlicheren Büchern ebenso findet. Ohne diese abstoßenden Abschnitte/Kapitel…
Einfach lassen! Leider habe ich keine Alternative für Euch. Wir haben nach diesem Reinfall nämlich auf weitere Papa-Bücher verzichtet.

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